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Foto: Goodyear

Ganzjahresreifen

Allrounder mit Transformationspotenzial

Flotten scheuen Reifenwechsel. Auch viele Endkunden wollen sparen. Die Nachfrage nach Ganzjahresreifen nimmt also zu und wird von Herstellern gerne bedient.

Für Reifeningenieure ist die Entwicklung von Ganzjahresreifen eine Art Königsdisziplin, schließlich müssen sie die optimale Kombination aus den Eigenschaften eines Sommer- und eines Winterreifens finden. Lange galt in der Reifenbranche jedoch die Devise: Saisonreifen haben mehr Sicherheitspotenzial und sind daher die bessere Wahl. Insbesondere Continental pochte auf die Bedeutung von Winter- und Sommerreifen für die Verkehrssicherheit. Allwetterpneus sind tatsächlich ein Kompromiss, wenngleich ein – je nach Standpunkt – sehr attraktiver. Mittlerweile ist das Marktsegment der Ganzjahresreifen daher auch eines der am schnellsten wachsenden in der Reifenbranche. Laut Goodyear nahm das Segment europaweit innerhalb der letzten fünf Jahre um mehr als ein Fünftel zu. Insbesondere Autohalter in gemäßigten Klimazonen, Transportunternehmen und Fuhrparks schwenken um. In der Folge bedienen immer mehr Pneu-Fabrikanten diesen Markt.

Ein Reifen gilt als Ganzjahresreifen, wenn er – genau wie ein Winterreifen – einen standardisierten Bremskrafttest auf einer Schneefahrbahn besteht. Dann erhält er das so genannte Alpine-Symbol und erfüllt damit in Deutschland die Anforderungen der situativen Winterreifenpflicht. Zudem muss er sich bei sommerlichen Temperaturen bewähren. Die Allwetterprofile schneiden in den Tests der Fachpresse, Verbrauchervereine und Prüforganisationen zumeist gut ab. Einen Ausrutscher liefert jüngst allerdings der ADAC-Test: Der größte deutsche Autoklub hatte sieben Ganzjahresreifen für SUV in der Dimension 235/55 R17 geprüft. Im Rahmen des ADAC-Reifentests spielten neben dem Bremsverhalten auf schneebedeckter Fahrbahn auch Anfahrverhalten sowie die Fahr- bzw. Steuerbarkeit eine Rolle. Auch auf Eis bewerteten die Münchner Seitenführungskräfte und Bremsverhalten. Das Ergebnis war ernüchternd: Laut Mitteilung schnitten fünf mit der Note „ausreichend“ ab, zwei erhielten lediglich den Wert „mangelhaft“.

Entwicklungsaufwand: 36.000 Ingenieursstunden

Die Hersteller ficht das nicht an. Von Goodyear wurde der Vector 4Seasons Gen-2 unter die Lupe genommen und mit der Schulnote 4 bewertet. Herstellerseitig könnte man natürlich darauf verweisen, den Pneu in der Zwischenzeit zum Vector 4Seasons Gen-3 aufgewertet und ein „verbessertes Fahrverhalten bei Schnee, Nässe und Trockenheit“ verabreicht zu haben, wie es in der Ankündigung hieß. Nach Angaben von Alexandre Scharis, Technical Project Manager, Goodyear Innovation Center Luxembourg, waren 36.000 Ingenieursstunden und 3.800 Labortests nötig, um das angestrebte Leistungsniveau des neuen Reifens zu erzielen.

„Unsere Designer und Ingenieure standen vor der anspruchsvollen Aufgabe, den Vector 4Seasons Gen-2 zu verbessern“, umschrieb Mike Rytokoski, Vizepräsident und Chief Marketing Officer von Goodyear Europa, den Anspruch. Das ist Eigenangaben zufolge mit einer Weiterentwickelung von „Snow Grip Technology“, „Dry Handling Technology“ und „Aqua Control-Technology“ gelungen. Der neue Vector 4Seasons Gen-3 wurde 2020 im Markt eingeführt. Den Angaben zufolge sollen 65 neue Größen noch in diesem Jahr hinzukommen und weitere 2021 und 2022 folgen.

Auch Bridgestone ist vom eigenen Allwetter-Portfolio so begeistert, dass es kürzlich ausgebaut wurde: Mit dem Duravis All Season für leichte Nutzfahrzeuge sprechen die Japaner seit August ganz gezielt Fuhrparks an. Der Alleskönner senke die Gesamtbetriebskosten und bringe die Flotte „das ganze Jahr über und bei allen Wetterbedingungen sicherer und komfortabel ans Ziel“, wie es hieß. Eine verbesserte Wasserableitung aufgrund großvolumiger Profilrillen in der Reifenschulter sicherten dem Allwetter-Pneu eigenem Bekunden zufolge das EU-Reifenlabel A im Bereich Nasshaftung. Die Vermarktung startete sukzessive in 23 Größen von 15 bis 17 Zoll. Darunter fallen auch drei HRD-Größen (High Rim Diameter) in 17 Zoll und fünf für hohe Lasten (10PR). „Heutzutage entscheiden sich viele Flottenbetreiber für Ganzjahresreifen, auch, weil das Flottenmanagement dadurch effizienter ist“, weiß Emilio Tiberio, Chief Technical Officer und Chief Operating Officer bei Bridgestone EMIA.

Seit 2018 bietet Continental mit dem AllSeasonContact einen Reifentyp "für den urbanen Einsatz unter gemäßigten Witterungsbedingungen". Eigenen Angaben zufolge gelang den Hannoveranern, die bislang bei "Reifen für den ganzjährigen Einsatz bestehenden Schwächen in den Winter- und Nässeeigenschaften auf hohem Niveau" zu lösen. Diese vorsichtige Formulierung steht sinnbildlich für das lange Zögern. Neben der hohen Qualität hinsichtlich guter Wintereigenschaften inklusive der vom WinterContact TS 860 bekannten Cool Chili-Technologie, Kraftstoffeffizienz sowie Aquaplaning-Kompetenz betonen die Niedersachsen seit Markteinführung stets die Bedeutung von Saisonreifen.

Pirelli setzt auf Seal-Inside-Tech

Pirelli unterfüttert den Ausbau beim eigenen Ganzjahresreifen-Angebot mit den Mitteln der Marktforschung: Einer Mitteilung zufolge ergab eine Umfrage, dass 55 Prozent der deutschen Autofahrer in Deutschland bei ihrem nächsten Reifenwechsel Allwetterpneu in Betracht ziehen würden – sofern diese nicht in den Alpen oder einem Mittelgebirge ansässig sind. Die Italiener sprechen von einer Verdopplung des Marktes in den Jahren 2016 bis 2019. Klar, dass Pirelli mit diesem Wissen das eigene Portfolio ausbaut: Von den Produktfamilien Cinturato All Season Plus und Scorpion Verde All Season SF (SUVs oder Crossover) gibt es laut Ankündigung 22 neue Größen zwischen 16 und 19 Zoll. Diese seien auch für den Ersatzteilmarkt mit der Seal-Inside-Technologie erhältlich, einem System, das Autofahrer auch bei einer Reifenpanne weiterzufahren lässt. Mit den neuen Größen werde Pirelli rund 90 Prozent des potenziellen Ganzjahresmarktes abdecken können. Komplettiert wird das Ganzjahresreifenangebot von Pirelli mit dem Carrier All Season für Transporter und leichte Nutzfahrzeuge.

Vredestein nimmt für sich in Anspruch, aus fast drei Jahrzehnten Erfahrung bei den Ganzjahresreifen zu schöpfen. Dieses Wissen floss auch bei der Entwicklung des aktuellen Modells ein: Der neue Quatrac startete in den Größen von 15 bis 16 Zoll. Laut Hersteller Apollo Vredestein BV zielt der neue Allwetterreifen aus eigenem Hause auf eine um 20 Prozent verlängerte Reifenlebensdauer. Zudem könne der Pneu Sicherheitsreserven für Aquaplaning abrufen und überzeugt beim dynamischen Nass- und Trockenhandling sowie mit kurzen Bremswegen. Für den Transporterbereich führt der niederländische Hersteller den Comtrac 2 All Season im Repertoire.

Yokohama bezeichnet den BluEarth-4S AW21 als Dauerläufer: Erstens bringe der Allwetterpneu das ganze Jahr über gute Leistung und zweites ist er bereits seit zwei Jahren erfolgreich auf dem Markt. Der Reifen, für den Ganzjahreslamellen und große Schulterblöcke sprechen sollen, ist inzwischen in 53 verschiedenen Dimensionen verfügbar, hieß es in einer Meldung. Kunden bietet die in Düsseldorf ansässige Deutschland-Tochter ein „Reifen-Sorglos-Paket“: Im Falle einer Ein- oder Anfahrverletzung bekommen Käufer bis zwölf Monate nach der Erstmontage im teilnehmenden Fachbetrieb ihren beschädigten BluEarth-4S AW21 ersetzt.

Auch in Skandinavien spielen Ganzjahresreifen eine Rolle – zumindest für den Export: So hat Nokian Tyres Anfang September mit dem Nokian Seasonproof (oben im Bild - auch in der größer dimensionierten SUV-Variante) eine neue Allwetter-Reifenfamile für Pkw-, SUV- und Crossover-Modelle präsentiert. „Der neue Nokian Seasonproof wurde speziell für Autofahrer in Mitteleuropa entwickelt, so dass er sich sowohl an winterliche als auch an sommerliche Wetterbedingungen flexibel anpassen kann“, erklärte Marko Rantonen, Entwicklungsmanager bei den Finnen. Besonders stolz ist man bei Nokian auf das Season-Sense-Konzept, dem multifunktionelle Ganzjahres-Lamellen und das modernisierte direktionale Laufflächen-Profil mit starrem Block-Design zugrunde liegen. Den Nokian Seasonproof gibt es mit optimierter Gummimischung und Aramid Seitenwand-Technologie auch für den SUV-Einsatz, hieß es.

Die Berlin Tires Europa GmbH attackiert mit der Philosophie "Qualitätsreifen zu günstigen Preisen in allen Segmenten anzubieten", ohne den sportlichen Anspruch zu verleugnen. Dazu bringt das Unternehmen die beiden Reifenmarken Berlin Tires und Syron Tires auch im Ganzjahresreifen-Segment in Stellung: Den All Season 1 von Berlin Tires gibt es aktuell in 38 Größen und Ausführungen. Der Syron Tires "Premium 4 Seasons" folgte auf den "365 Days".

Fazit: Aus Sicht der Werkstätten sind die Allrounder natürlich ein schlechter Kompromiss. Zwar nimmt ein Wegfall der saisonalen Reifenwechsel Druck vom Kessel. Die Nachteile aufgrund geringerer Umsätze im Reifenservice und weniger Kundenkontakte wiegen jedoch schwer.

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