Die Reparaturkosten gehen immer weiter durch die Decke – selbst bei Kollisionen, die vergleichsweise harmlos sind und mit ein paar verkratzen Bauteilen enden. Auf dem 10. Allianz Motortag setzte sich der Versicherer daher für den erweiterten Einsatz von Reparaturverfahren statt dem generellen Austausch von Bauteilen ein. Auch gebrauchte Ersatzteile sollen künftig eine Rolle spielen, wenn es nach dem Versicherer geht.
Technisch möglich, in Deutschland nicht erlaubt
Unter diesem Motto finden sich zahlreiche Vorschläge und Varianten, mit denen sowohl die Versicherung als auch der Kunde viel Geld sparen könnte – die jedoch in Deutschland (noch) nicht zulässig sind, im europäischen Ausland jedoch bereits angewendet werden. Der Scheibentausch nach einem Steinschlag ist wohl der Klassiker eines Versicherungsschadens, der durch die zunehmende Verbreitung von Kamera- und Assistenzsystemen immer teurer wird. Während hierzulande schnell getauscht wird – immerhin ein sehr lukratives Geschäftsfeld für Werkstätten und Autoglaser – setzt sich die Allianz für mehr Glasreparaturen ein. Durch den Entfall der teuren (De-) Montage und der Kalibrierung der Assistenzsysteme liegt die Kostenersparnis hier im oberen dreistelligen Bereich.
Verkratzter Scheinwerfer & abgebrochene Halter
Seit sich Scheinwerfer mit Kunststoffstreuscheiben durchgesetzt haben, werden diese regelmäßig bei leichten Kollisionen verkratzt, aber nicht tiefergehend beschädigt. Dass solche Kratzer sich technisch problemlos entfernen lassen, zeigt die Firma Kwasny mit entsprechenden Beispielbildern. Der Scheinwerfer muss dafür nicht einmal ausgebaut oder demontiert werden. Gerade bei teuren LED-Scheinwerfern wäre hier eine erhebliche Kostenreduktion möglich. Auch abgebrochene Scheinwerferhalter sind ein Dauerthema bei Auffahrunfällen. Zwar statten die Fahrzeughersteller die empfindlichen Scheinwerfer mit Sollbruchstellen an den Haltern aus und bieten entsprechende Reparatursätze an, doch durch den Anspruch auf eine Versetzung in den Neuzustand kommen diese bei der Behebung von Unfallschäden kaum bis gar nicht zum Einsatz – viele Werkstätten wissen nicht einmal um diese Möglichkeiten.
Blechteile instand setzen statt austauschen
Auch bei Karosserieschäden mit eingedrückten Blechteilen könnte deutlich nachhaltiger und kostengünstiger repariert werden. So demonstrierten die Experten von AZT und Carbon, wie durch innovative Reparaturverfahren auch solche Schäden durch eine Reparatur behoben werden können, die aktuell nur durch den Teilaustausch und entsprechend großflächige Lackierungen behoben werden. Auch hier sehen die Versicherungsexperten Einsparpotenzial in der Größenordnung von fast fünfzig Prozent der heutigen Kosten.
Gebrauchte Ersatzteile
Neben dem Trend, weg vom Austausch, hin zur Reparatur, sollen künftig auch gebrauchte und zertifizierte Ersatzteile eine Rolle bei der Kosteneinsparung spielen, wenn es nach den Versicherern geht. Derzeit sind gebrauchte Teile bei einer Versicherungsleistung nicht möglich – in der Praxis kommen diese nur dann zum Einsatz, wenn sich Kunden einen Schaden ausbezahlen lassen und anschließend einen Betrieb mit der gezielten Gebrauchtteilreparatur beauftragen – gerade für Fahrzeuge ab einem mittleren Fahrzeugalter könnte dies künftig eine interessente Möglichkeit darstellen.
Mit zertifizierten Ersatzteilen, etwa über herstellereigene Angebote wie das Mercedes-Benz Gebrauchtteilcenter MBGTC, will man die Qualität der gebrauchten Teile sicherstellen, um dennoch eine Reparatur auf einem hohen Niveau zu gewährleisten.
Kommentar: CO2-Emissionen in der Versicherungswelt
Der allgemeine Trend, alles in Co2-Emissionen umzurechnen, macht auch vor der Versicherungswelt nicht halt. Zwar stellen Videobesichtigungen zur Schadenseinschätzung statt eines Vor-Ort-Besuches eine sinnvolle und innovative Lösung dar, bei Reparaturen allerdings hauptsächlich die Trumpfkarte der Umweltauswirkungen zu ziehen, wirkt etwas aufgesetzt. Günstigere und zugelassene Reparaturverfahren nutzen sowohl den Versicherern als auch den Fahrzeughaltern, die weniger Beiträge zahlen müssen. Daher ist es richtig, dass sich die Versicherung für diese Themen einsetzt. Dass für eine Reparatur weniger Material benötigt wird als für ein Neuteil, ist nichts Neues. Statt die Klimagaseinsparung hervorzuheben, sollte man sich trauen, die wahren Probleme anzusprechen: Starre Verfahren und eine fragwürdige Rechtslage machen viele Reparaturen unnötig teuer.
Simon Bäumer, Redakteur der amz