Ungläubig staunend stauten sich die Sportwagenfans im September 1973 um den IAA-Messestand der Bayerischen Motorenwerke. Plötzlich war sie Serienstandard, diese furiose Turbo-Power, die ein Jahr zuvor noch als futuristisches Triebwerk in der Traumwagen-Studie BMW Turbo gefeiert worden war. Jetzt aber debütierte der BMW 2002 Turbo als erstes europäisches Serienfahrzeug mit Abgasturbolader und Benzineinspritzung, stolze 125 kW/170 PS stark und ebenso schnell wie ein weit kostspieligerer Porsche 911. Der Turbolader von Kühnle, Kopp und Kausch (KKK) entlockte dem bewährten Reihen-Vierzylinder aus dem 2002 tii satte 40 zusätzliche Pferdestärken.
Mit dem für damalige Verhältnisse geradezu entfesselt schnellen BMW 2002 Turbo – mit Vmax 211 sogar exakt einen symbolträchtigen km/h flotter als Porsche 911 oder Mercedes 350 SL – löste man quasi ein Abo für die Überholspur auf Autobahnen.
DIN-Verbrauch nur 9,7 Liter Super
„Umweltfreundlich, rasant in handlicher Verpackung“ titelte deshalb eine Werbeschrift, die BMW an die Gäste der 2002-Turbo-Premiere auf der IAA 1973 verteilte. Die Publikation klärte auf, dass „die gute Gemischbildung für umweltfreundliche Verbrennung sorgt“ und der DIN-Verbrauch nur 9,7 Liter Super betrug. Das waren zwar zehn Prozent mehr Sprit als der schwächere 2002 tii konsumierte, aber gut ein Drittel weniger, als vergleichbar flinke, hubraumgrößere Sportler anderer Hersteller verlangten. Auch deshalb hat sich Turbotechnik rasch durchgesetzt, heute nutzen sie fast alle Hersteller von Verbrennern.
Apropos Tempo: Als der aggressiv gekleidete und ab etwa 3.500 Touren schlagartig vorwärts stürmende BMW 2002 Turbo 1973 eingeführt wurde, polarisierte er die Gesellschaft wie kein anderes Auto. Die bundesdeutsche Unfallstatistik hatte kurz zuvor mit über 21.000 Verkehrstoten einen Allzeit-Negativ-Rekord verzeichnet, und Verkehrssicherheitskampagnen und Tempo 100 auf Landstraßen schienen gerade erste Erfolge bei der Senkung der Unfallzahlen zu zeigen, da war der „Heiße Ofen von BMW“, wie die Presse den Turbo nannte, ein falsches Signal.
Die gar nicht so kleine Fraktion der Technikfreaks und Leistungsfetischisten freute sich dagegen über das in 6,9 Sekunden auf 100 km/h sprintende Geschoss mit Turbokick. Was beim Debüt des 2002 Turbo keiner ahnte: Nur einen Monat später schlug die erste Ölkrise zu, die Benzinpreise verteuerten sich um 20 Prozent, Rennsporttermine fielen aus, stattdessen wurden autofreie Sonntage und Tempo 100 auf Autobahnen verordnet. Keine Zeiten für Vollgas-Autos, der Markt brach ein, und erholte sich auch nach Ende der Krise nur langsam. Eine Vollbremsung für den Turbo-Verkauf? Mitnichten, bis Juli 1975 wurden immerhin 1.672 des schnellsten BMW 2002 ausgeliefert. Ursprünglich hatte BMW nur mit 1.000 Einheiten des mindestens 18.720 Mark teuren Turbo gerechnet. Tempogeladene Autos faszinieren offenbar immer, sogar wenn Vollgas-Fahrten tabu sind, wie Sportautomärkte mit strikten Speedlimits zeigen.
Welche Bedeutung der BMW 2002 Turbo heute in der Oldtimer-Community hat, erklärt Experte Frank Wilke von der Bewertungsorganisation Classic Analytics: „Ähnlich wie der CSL hat auch der 2002 Turbo einen kometenhaften Preisanstieg hinter sich, nachdem er in den 80er Jahren eher ein technisch faszinierendes Mauerblümchen war, an das sich niemand so richtig heranwagte. Für wirkliche Top-Exemplare werden um die 140.000 Euro gezahlt.“
Wolfram Nickel/SP-X